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  • realfiktion
  • 2. Dez. 2024
  • 1 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 20. Feb.

01.02.2019

Wien, zweiter Tag.

(1) Egal welches Jahr, hier ist immer Fin de Siècle. Behagen am eigenen Untergang; man lässt sich ächzend in den samtenen Kaffeehaussessel fallen, ist automatisch 20 Jahre älter und findet es gut. Einen Strudl, eine Melange, bittä, donkä. (So spricht man hier.)

(2) Barocke Todeskultfeier schon im Flugzeug. Während die Hamburger vor dem Take-off die letzten Business-Ansagen in ihr Handy bellen, räkeln sich die Österreicher genüsslich im Ernstfall und ergehen sich über die Nutzlosigkeit der Notausstiege, das nahe Lebensende und die Nichtigkeit allen Seins. Windhauch, Windhauch, alles ist Windhauch.

(3) In Museen denn auch Ausstellungen wie „Zeig mir deine Wunde“, in Buchhandlungen exponierte Titel wie „Faszination Schlaf“. (Allerdings, naja, auch ein Aphorismenband von Wolfgang Schüssel und „50 Dinge, die ein Niederösterreicher getan haben muss“.)

(4) Topfen, Kringel, Schmarren, Strudl, Palatschinke, Zuckernudl, dazu noch die gigantische Mannerschnitten-Weltzentrale – in grausamem double bind aber vielerorts Essverbote. Nicht nur ein persönlicher Affront (mit meinen 62 Jahre lasse ich mir nichts mehr verbieten), es spiegelt auch irgendwie die zunehmend autoritäre Gesellschaftsordnung wieder. Vielleicht nicht ganz so schlimm wie Verfolgung von Minderheiten, Militarisierung der Polizei und Abriss des Rechtsstaats, greift aber die Fundamente der Maslowschen Bedürfnispyramide an – von der hier vielleicht in fünf Jahren auch nichts mehr legal sein wird bis auf Skifahren, Selbsthass und Jodel. Schon jetzt aus paranoidem Argwohn mehrfach verlesen: Schilder mit „Achtung, automatisches Garagentor!“ erscheinen im Augenwinkel völlig plausibel als „Achtung, austrofaschistisches Garagentor“.

(5) „So ist es immer gewesen / Und in Österreich ist immer alles am schlimmsten gewesen.“ (Bernhard, Heldenplatz)

ree

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