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  • realfiktion
  • 9. Dez. 2024
  • 1 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 21. Feb.

01.07.2020

Wie deutsch ist es? (Teil IX)

(1) Die halbe Familie liegt hier – genannt wird auf dem überwucherten Grabstein allein der Patriarch. Seine Frau, seine Töchter, deren letzte Nachkommen haben keine Namen. Es hat sie nie gegeben.

(2) Vor bald vierzig Jahren: Spaziergänge mit meiner Großmutter zum Schloss, durch die Fischergasse, wo sie ironisch zur Welt kam, nämlich zwei Etagen über der Kneipe „Zur Hoffnung“. 1917 besucht der letzte bayrische König die Stadt, sie winkt am Straßenrand. Ihr Vater, der Patriarch, nimmt sie auf seinem Mainschiff manchmal nach Bamberg mit. Als junge Frau flieht sie aus dem Nonnenkloster, für das ihre Mutter sie bestimmt hat. Auf dem Hochzeitsfoto von 1939, Tage nach Kriegsbeginn, trägt sie ein dunkles Kleid und lächelt nicht. Tage vor Kriegsende wird sie Witwe und bleibt es die restlichen fünfzig Lebensjahre. Als einzige der Familie außer mir war sie jemals in New York (1964, zu Robert Moses’ Weltausstellung). Sie mochte lila Blusen, Marzipan, das Lied “Rosmarinheide” und überhaupt alles von Hermann Löns.

(3) Heute wachsen aus ihr Farne, und keiner weiß es.

ree

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