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  • realfiktion
  • 13. Dez. 2024
  • 1 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 21. Feb.

06.07.2021

(1) Tübingen: wenn man es sich als Diorama im Maßstab 1:100 vorstellt, gehts eigentlich. Adrettes Fachwerkstädtchen, urige Kopfsteingassen, Neckarlandschaft, Marktstände (selbstgemachte Rübenlimonade). Solardächer. Mülltonnen, abschließbar und mit Namensschild – mild pathologisch. Man würde Figürchen aufstellen: Die patente Hausfrau (wie sie gerade die blitzsauberen Fenster des Eigenheims poliert). Den freiheitsliebenden Familienvater (wie er gerade im Nachbarort den Impfpavillon anzündet). Miniatur-Demonstrant*innen für Assange. Miniatur-Burschenschaftler. Miniatur-Ökohippies in verschiedenen Stadien der Verhärmung. Miniatur-Polizeitrupps, die durch die Altstadt ziehen um ab 22 Uhr Nachtruhe zu erzwingen. Und vom Rathausbalkon rassistisch herunterschwadronierend die Figur des Bürgermeisters, der mit zweitem Vornamen ‚Erasmus‘ heißt.

(2) Wenn man es als Soundscape-Installation wahrnimmt, gehts eigentlich. Sieben Tonspuren simultan: die einfache Freundlichkeit der einen, das gepresste, keifende Geschwäbel der anderen. Hier sympathische Unsicherheit, da die misstrauischen, hausmeisterlichen Fragen mit vorgerecktem Kinn. Das konsonantenlose Gelalle in der Marktschenke, der Gouvernantenton im Biergarten. Die endlosen Monologe der Welterklärungsschwaben, bei denen jedes dritte Wort „Firma“ lautet, “un des kinäsische Süschtem, weisch, des isch die Zukumpft!”, während die Zuhörerin vor Langeweile verzweifelt.

(3) Und wenn man sich klarmacht, dass Tübingen nicht Ulm ist, gehts sowieso. Aus Ulm führt gar kein Weg mehr ins Freie. Vor Ulm sinkt irgendwo sogar die Donau ins Erdinnere zurück – völlig zurecht. Ulm in Regen und Wind: Eschaton ohne Jenseits. Nach Ulm die Sintflut. Bitte.

ree


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