10.02.2023

„Valparaíso

Wie absurd du bist

Wie irrsinnig

Was für ein irrer Hafen

Was für ein von Hügeln zerzauster Kopf

Den du nie fertig wirst zu kämmen

Nie hattest du je Zeit dich richtig anzuziehen

Immer wurdest du vom Leben überrascht

Der Tod weckte dich auf

Im Nachthemd in langen Unterhosen mit farbigen Fransen

Nackt mit einen Namen auf den Bauch tätowiert

Und mit Hut

Das Erdbeben packte dich

Und du ranntest wie verrückt

Brachst dir deine Fingernägel ab

Es erschütterte die Wasser und die Steine die Bürgersteige das Meer

In der Nacht schliefst du auf dem Boden

Erschöpft von deinem Hin und Her

Und die wütende Erde erhob ihre Wellen rauer als ein Orkan

Der Staub bedeckte deine Augen

Die Flammen verbrannten deine Schuhe

Die festen Häuser der Banker zitterten wie verwundete Wale

Während oben die Häuser der Armen ins Nichts sprangen

Wie gefangene Vögel die ihre Flügel ausprobieren

Und abstürzen

Schnell Matrose Valparaíso vergisst du die Tränen

Und kehrst zurück

Gibst deine Wohnungen auf

Streichst Türen grün die Fenster gelb

Alles verwandelst du in ein Boot

Du bist der zusammengeflickte Bug eines kleinen tapferen Schiffs

Der Sturm mit Schaum bekrönt

Deine singenden Taue

Und das Licht des Ozeans

Das die Hemden und Fahnen erzittern lässt

In deinem unzerstörbaren Schwanken

Dunkler Stern du kommst von weit her

Du strahlst hoch über der Küste

Und bald gibst du dein verborgenes Feuer preis

Das Schwanken deiner dumpfen Gassen

Die Leichtigkeit deiner Bewegung

Die Klarheit deiner Seemannschaft

Hier endet diese Ode

Valparaíso

So klein wie ein hilfloses Hemdchen

Das in deinen schäbigen Fenstern hängt

Im Wind des Ozeans flattert

Alle Schmerzen deines Bodens aufsaugt

Den Tau des Meeres empfängt

Den Kuss des weiten wilden Meeres

Das mit all seiner Macht gegen die Felsen schlägt

Es konnte dich nicht zu Fall bringen

Denn auf deine südliche Brust sind tätowiert

Der Kampf

Die Hoffnung

Die Solidarität

Und die Freude

Als Anker

Die den Wellen der Erde widerstehen“