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  • realfiktion
  • 20. Dez. 2024
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 22. Feb.

11.10.2022

(1) In meiner Expertinnenrolle als Business Consultant hier wenig gefordert – außer in einer Sache: Vieles wird nicht in Geschäften verkauft, sondern aus Schaltern zur Straße, teils nicht beschriftet, erkennbar nur an der Schlange auf dem Gehsteig. Man möchte aber doch einen Laden autonom betreten, sich langsam mit seiner Topographie vertraut machen, die Ware in Ruhe sichten und ihre Bezeichnungen übersetzen können (Koliva z. B. offenbar “Totenkuchen”). Man möchte vorher wissen, ob man Bargeld braucht, möchte die Verkaufsperson sehen, ihre Physiognomie prüfen. Man möchte fühlen und abwiegen, zurücklegen und Pirouetten drehen. Allein: Gehorsam reiht man sich in den Trott der Schlange ein, als Bittsteller, der irgendwann vor dem Gnadenthron steht. Wie im Berghain! Dann muss man blitzartig irgendetwas bestellen – ohne zu wissen, dass keine Rosinen drin sind, ohne dass man überhaupt das Angebot kennt, vielmehr unter dem Urteilsdruck von Millisekunden den Raum hinter der Luke lesen muss: Ist es eine Bäckerei? Friseur? Autowerkstatt? Beerdigungsinstitut?

(2) Widerspricht alles nicht nur der gängigen Shopping-Heuristik, sondern ist auch ein Anschlag auf meinen persönlichen Lebenswandel, der zu drei Vierteln aus Unentschlossenheit besteht und von nichts mehr bedroht wird als von einer Schlange, die in meinem Rücken ins Unendliche wächst.

(3) Waschsalons werden angenehmerweise nicht nach diesem Ritus geführt, sie sind niedrigschwellig begehbar, kein Kontrollverlust, niemand richtet über den stinkenden Dreck, den man bringt, man bezahlt per App oder Kreditkarte, in Cluj alles fortschrittlicher als daheim. Transsylvanien kein Hinterwald!

(4) Wäre ich tiefer an irgendwas interessiert, würde ich diese befremdliche Besonderheit der Verkaufsluken mentalitätshistorisch erforschen und mal wieder herausfinden, dass es am Wetter liegt, an Dracula, an der Orthodoxie, am Stalinismus, an der Reformation, oder an den ungarischen Magnaten des Mittelalters. (Wusstichs doch!)

(5) Oder ich würde zumindest erforschen, warum ich, im 46. Jahr, an einem Punkt angelangt bin, an dem manche Fremdheitserfahrungen nur noch unbequem sind. Ist das schon Teil des eigenen Rückschritts? Als Business Consultant sage ich dagegen nur: Spălătorie 👍

ree

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