- realfiktion
- 5. Dez. 2024
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Aktualisiert: 20. Feb.
15.09.2019
(1) Praller Vollmond, scharf ausgeschnittenes Loch im Berliner Nachthimmel, romantische Projektion und Ausrede für seelische Schmelz- und Traumzustände. Aber selbst Lunatismus in Wahrheit nur eine Sache von Genetik und gefüllter Blase. Mehr nicht.
(2) Nachtwandelnd durch das Polygon, vielleicht daher über zwei Stunden kein Verbindungsaufbau zu den ganzen Amerikanerinnen, Spaniern und Schw*aben mit Septumring, Harness und Essstörung, also der eigentlich bewährten Berliner Mischung. Aber irgendwas stimmt nicht: Beflissen inszeniert man eine Folsom-Party, die alle queeren Kästchen abzuhaken versucht, bei der dann aber doch die Heteros tanzen, als wärs ein märkisches Schützenfest – während der Darkroom verwaist. Drei leere Verrichtungskabinen; wehmütige Trauer um Unbelebtes, wie beim Anblick einer stillgelegten Nebenbahn.
(3) Nostalgie für das Berlin früherer Jahre, als alles noch ärmer und sexyer war (wir auch): in den Sand gesetzte Oase, Hochaltar der Subkultur, Exzess bis zur Notaufnahme – heute rentnerhafte Klage schon über das beschwerliche Schlangestehen vor dem Lab, um vier nachhause, denn wir könnten ja morgen mal in dieses öde Museum für preußischen Kulturbesitz usw.
(4) Sonntagsspaziergang Bürgerpark Pankow, verkniffene Ost-Rentner*innen führen in der Kuchenausgabeschlange des Rosengartens die gleiche Klage wie die Lab-Meute: Gier nach dem eigenen Stück, Angst um den eigenen Platz. Differentialdiagnose „Liebesmangel“ (die Philosophin), „Unterzuckerung“ (ich); Vollmond scheidet aus.
(5) Prophylaxe: Mehr Kuchen, mehr Liebe. Und keine Klagen mehr.


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