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  • realfiktion
  • 20. Dez. 2024
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 22. Feb.

22.09.2022

(1) Ich erinnere mich an die eigene Fassungslosigkeit vor 25 Jahren, als die 20-Uhr-Tagesschau mit keinem Wort die eine Million Menschen, die zum Kölner CSD gekommen waren, erwähnte, wohl aber ausführlich ein Schützenfest in Hannover am selben Tag. Und dass ich mich danach naiv fand.

(2) Ich erinnere mich, dass der Tod von Malte C. Anfang September auch nicht vorkam. Und dass in der späteren Online-Meldung keine einzige LGBTQ-Person zu Wort kam, sondern: der Bischof von Münster.

(3) Ich erinnere mich an Admiral Duncan und Pulse, vor 23 und vor sechs Jahren.

(4) Ich erinnere mich an das gutbürgerliche Erstaunen in der befreundeten Mehrheitsgesellschaft, wenn sie erfahren, dass schon wieder irgendwas passiert ist: der Mordanschlag während des Oslo Pride, die Todesurteile gegen queere Aktivistinnen im Iran, das Verbot des Europride in Belgrad oder die neuste Repression in Ungarn, Uganda, Kenia, Katar, Ghana, Russland, Florida, Texas.

(5) Ich erinnere mich an ihre unsichere Irritation, wenn sie erfahren, dass „auch hier?!“ ganz regelmäßig Attacken stattfinden. Auswahl der letzten Wochen (der deutsche Justiz- und Verwaltungsterror gegen queere Geflüchtete noch gar nicht eingerechnet): die Aktionen der Rechtsextremisten auf dem CSD Halle, der Angriff auf die Transfrau in Bremen und auf die in Berlin, auf die schwulen Männer in Frankfurt und Schöneberg. Störungen und Angriffe auf dem CSD in Ulm, in Dresden, in Karlsruhe. Fahnenverbrennungen, Beleidigungen, Bedrohungen, Faustschläge, Steinwürfe, Kieferbruch. Oft am hellichten Tag, immer auf offener Straße.

(6) Ich erinnere mich, dass sie das oft nur durch mich erfahren. Und dass ich immer gern wüsste, ob sie sich danach auch naiv finden.

(7) Ich erinnere mich, wie toll ich diese Dive Bar fand, als ich vor vier Jahren das erste Mal da war, und wie bescheuert den Namen „Happyfun Hideaway“. Zu defensiv.

(8) Ich erinnere mich, wie ich selbst in New York mal homophob beschimpft wurde, Hand in Hand mit der Fairie Queen – und das ausgerechnet an den Westside Piers, die mal der queerste Ort der queersten Stadt der Welt waren.

(9) Ich erinnere mich, dass die Bar gleich neben dem Happyfun Hideaway erst im April durch einen Brandanschlag zerstört wurde.

(10) Aber das hatte ich bis eben wirklich ganz vergessen.

ree

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