- realfiktion
- 28. Juli
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24.07.2025
(1) Hinreise Helsinki, dabei Hörbuchversion Doktor Faustus: 28-stündiger Kraftakt, ermöglicht nur durch die Hoffnung, dass irgendwann die Stelle kommt, wo noch mal irgendwas gelingt, es ist ja Hochkultur. Danke, Bildungsbürgereltern, für diesen schrecklich fehlgesteuerten Impuls!
(2) Stilverwandtschaft mit Lovecraft in der schwülstigen Gespreiztheit, mit Harden in der Sucht nach protzigen Synonymen, daran angenagelt eine Unmenge prätentiöses Zettelkastenwissen zu Philosophie, Theologie, Musikwissenschaft, Meereskunde, und leider auch Kosmologie (für drüberlackierte Erhabenheit). Und hinter jeder parvenühaften Sentenz ein „Wie ja jedermann weiß“ und eine Art von säuerlich riechendem Altherrenhumor, die sich selbst wohl ständig mit „vortrefflich!“, „köstlich!“, „deliziös!“ kommentieren würde.
(3) Sobald man den Nobelpreis im Sack hat, kann man sich auch völlig gehen lassen: Helene Ölhafen, Konrad Knöterich, Nepomuk Schneidewein, Meta Nackedey, Kunigunde Rosenstiel, Serenus und Wohlgemut Zeitblom, der Fagottist Griepenkerl vom Zapfenstößer-Orchester. So ein Entenhausen-Personal müsste sich mal jemand in Klagenfurt zu bringen trauen und dann behaupten, es wäre alles Parodie.
(4) Zeitblom spricht Leverkühn nach und gibt vor, als spreche da Leverkühn wie Kumpf und Kumpf wie Luther, aber tatsächlich spricht Zeitblom selbst so, und in Wahrheit spricht die ganze Zeit durch Zeitblom Thomas Mann, vollendet bescheuert, „wie er des Weibtums in der Schlupfbude inskünftig gewahr zu werden sich wohl anheischig machte“ usw.
(5) Auch eher bescheuert: Dass die Figur so herunterverharmlost wird, um sie in ihrer lächerlich-betulichen Humanistenpiefigkeit als den gegen Faschismus gefeiten Widerpart des radikalen, leider anfälligen Genies hinzustellen – Heideggers „Wer groß denkt, muss groß irren“-Quatsch. Es ist nicht das Faustische, Schicksalssüchtige, Dämonische, sondern gerade die dumpfe, selbstbeschränkte Biederkeit, die den Faschismus trägt und siegen lässt.
(6) Ein Roman als knorpelige Blutwurst, die sich als Delikatess-Paté ausgibt (Vortrefflich! Köstlich! Deliziös!), und gegen alle Hoffnung wird er 28 Stunden lang, sinnlos vom eigenen Leben subtrahiert, nicht besser. Der Kitschtod des Kleinkinds. Der nervtötende Sprecher, der dauernd die Stimme verstellt. Und am schlimmsten: dass ich nichts besseres zu tun hatte.


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