- realfiktion
- 4. Aug.
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26.07.2025
(1) Alles, was der Fall ist – und mehr! Post von der Bank, die auffordert, ab sofort in der „erweiterten Vorteilswelt“ zu leben und nicht länger nur in der Standard-Vorteilswelt, die ja keine Pockets biete. Jetzt neu Option auf gleich drei Pockets, „vielfältige Angebote mit Preisvorteil, stetig wechselnde Partner, exklusiv für Kunden mit ID, einfach profitieren ohne Anmeldung“. Damit besser gestellt als mit exklusivem Partner, stetig wechselnder Identität und keinen Pockets? Gedankennotiz „endlich Bank wechseln“.
(2) Hitzewelle in den nordischen Ländern, beispiellos seit Beginn der Aufzeichnungen. Alle unvorbereitet, überfordert, nur Lidl um die Ecke verkauft kühl Ventilator-Restposten.
(3) Erweiterte Kunstwelt: An drei Orten in Helsinki wird großflächig zu „Shelter – Below and Beyond, Becoming and Belonging“ ausgestellt, Thema der laufenden Biennale. Zum interessantesten Ort kommt man nach einer gemächlichen Bootsfahrt in die Schären (Kapitän ca. 17 Jahre alt, Broccoli hairdo, schlittert auf Socken rum, trägt Ray Ban wie ein Hoheitsabzeichen). Auf der Insel dann das Konzeptuelle: “The Helsinki Biennial is a shared space of co-inhabiting and of care. As curators, we sought to step away from human-centered thinking, instead engaging with more-than-human memories, intelligences, and sensibilities. In this spirit, even Vallisaari Island, one of our main sites, is a protagonist in this edition; with the biennial aiming to reflect its rhythms and honor the non-human protagonists that have long inhabited it.”
(4) Kurator*innen, die sich vom Denken lösen, eigentlich immer ein Warnzeichen – und einiges glückt doch. Der Schauplatz ist keine Kulisse, und die besten Installationen stellen Beziehungen zwischen Natur und Kunst her, die mehr sind als Kontraste. Dafür nimmt man auch eine Menge gefälligen Öko-Eso-Kitsch in Kauf: Natur schön, Industrie schlecht; indigene Kultur gut, moderne Zivilisation böse. (Für diese vier kleinen Gedanken allein wäre die Insel aber dann doch deutlich zu groß.)
(5) Von einer Klippe aus Panoramablick auf die Widersprüche: 1000 Kilometer lang Kerosin verbrannt um Kunst anzuschauen, die die Natur zelebriert. Zwei Tage lang in erbauliche Kunst versenkt, below and beyond, um nicht den Tatsachen ins Auge zu sehen. Was man in kritisches Bewusstsein investiert, läuft auf Kredit, und den bedient man, indem man das Investment nicht nutzt. Wechsel in eine Art Vorteilswelt mit zwei Pockets (linke Tasche, rechte Tasche: a shared space of co-inhabiting and of care, einfach profitieren ohne Anmeldung).


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