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  • realfiktion
  • 20. Dez. 2024
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 31. Jan.

28.01.2023

(1) Der Wunsch, es wäre eine Dirigentenschule oder wenigstens eine Schaffnerschule. Aber leider ist doch alles viel prosaischer, auf Spanisch.

(2) Alle Imaginationskraft hat man stattdessen in performative Künste gelegt, zum Beispiel in den Kauf eines beliebigen digitalen Tickets. Dazu muss man sich üblicherweise erst bei einer nationalen Ticketplattform registrieren lassen, deren ausschließlich spanischsprachige Website regelhaft abstürzt und/oder logisch widersprüchlich ist und auf der man dann bei jedem einzelnen Bestellschritt aufs Neue chilenische Telefonnummer, chilenische Passnummer, Adresse und den Geburtsnamen der Mutter angeben muss – und groteskerweise auch immer die Nationalität, obwohl der Vorgang gar nicht funktioniert, wenn man irgendetwas anderes ist als chilenisch. Denn natürlich läuft das Ganze am Ende nicht mit Visa oder Paypal, sondern nur mit einer Debitkarte des Banco del Estado, allenfalls mit irgendeinem bitcoinartigen Finanzprodukt, das aber nur für Angehörige von Mercosurstaaten existiert.

(3) In etwa gleich hohe Hürde: etwas persönlich zu erwerben. Selbst an Flughäfen spricht niemand Englisch und wenn man „mas despacio por favor“ sagt, sprechen sie nicht langsamer, sondern einfach nur lauter (also: NOCH lauter) und wenn ihnen dann irgendwann auffällt, dass man die Sprache schlecht beherrscht, brechen alle Dämme und sie beschreiben koloraturartig alle 97 zu bedenkenden Kaufoptionen, was nirgendwo hinführt – aber es geht um die Sache selbst. Am U-Bahn-Ticketschalter das gesamte Tarifsystem Santiagos erklärt bekommen, in einer Dringlichkeit, als ob mein Überleben davon abhinge. Wie ein koreanischer Film ohne Untertitel.

(4) Sorgfältig verfasste Anfragen an Bus- und Taxiunternehmen mit „Hotmail“-Adressen, ob wohl nach Landung von Flug 123 am Regionalflughafen abc ein 90-km-Transfer nach xyz möglich sei, werden mit faszinierender Mehrdeutigkeit beantwortet – man gefällt sich in der Rolle der Sphinx: Ja und Nein, natürlich brauchen Sie eine Reservierung, andererseits womöglich hinwiederum vielleicht auch nicht. Wer sind wir schon, das sagen zu können? Prinzipiell bieten wir Transfers an, es müssen aber mindestens vier Fahrgäste dasselbe Ziel haben, und wer hat das schon im Leben, gute Nacht und viel Glück.

(5) Alles wird irgendwie gehen. Habe mittlerweile auch schon im Supermarkt um die Ecke einen gewissen schrulligen Bekanntsheitgrad erlangt als „der, der nicht intuitiv weiß, welches Obst man unbedingt wiegen muss und welches auf gar keinen Fall“, inklusive Aufruhr der Belegschaft und kleinem öffentlichen Tadel. Aber auch das ging, dieses Land hat größeren Aufruhr erlebt und ist Schlimmeres gewohnt. Nur auf Besucher*innen von auswärts ist man so gar nicht gefasst.


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