- realfiktion
- 20. Dez. 2024
- 1 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 31. Jan.
31.01.2023
(1) Im Zentrum des Erinnerungsmuseums eine riesige Wand mit Fotos der Verschwundenen, drei Stockwerke hoch, zu jedem einzelnen Gesicht eine Biografie.
(2) An anderer Stelle das Foto vom 18.09.1973: die neue Militärjunta beim Te Deum in der Kirche der nationalen Dankbarkeit dem Heiligsten Herz Jesu, alle um Pinochet herumstehend, er sitzt als einziger in der Mitte, Galauniform, Sonnenbrille, Arme vor der Brust verschränkt, imperiales Hohnlächeln. Zu diesem Zeitpunkt ist er schon hundertfacher Massenmörder.
(3) Die Rückkehr zur Freiheit dauert Jahrzehnte, in geduldigen Millimeterschritten gegen schier unüberwindliche Widerstände, mit schier ewigen Übergangskompromissen. Das Gute: nichts dauert ewig. Das Schlechte: man muss schon ausreichend lang überleben für diese Genugtuung.
(4) Pinochet wird zähe 91, nach seinem Tod Aufbahrung und kilometerlanges Defilee der Verehrer*innen – aber einer in der Schlange ist keiner von ihnen, sondern der Enkel eines Ermordeten, wartet viele Stunden, bis er den gläsernen Sarg erreicht hat – und spuckt auf sein Gesicht.

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